TikTok-Agentur mit 21: So kam Julius Lutz an prominente Kunden

Wie ist das, mit 21 eine Agentur zu gründen? Gründer und Geschäftsführer Julius Lutz sowie sein 8-köpfiges Team mischen die Berliner Musik-& Kreativbranche mit TikToks auf, die gezielt die Gen Z und Alpha ansprechen. Wir haben Julius gefragt, wie man mit 21 Jahren eine eigene Agentur aufbaut und es schafft, die Trends der jungen Generationen nicht nur zu verstehen, sondern aktiv mitzugestalten.

Was hat dich dazu motiviert, mitten im Studium eine eigene TikTok-Agentur zu gründen?

Ich hatte schon vor dem Start meines Studiums absolut Feuer für die Selbstständigkeit und die Agentur-Branche gefangen:

Durch meine eigene Social-Präsenz als “Influencer” zu TikToks Anfängen 2020 habe ich gelernt, dass man online tatsächlich relativ einfach etwas Geld mit Reichweite verdienen kann. Das waren dann Song Promotions, Playlists hochziehen und Brand-Kooperationen.

Zudem wurden mir durch meinen “Minijob” bei der Kreativ-Agentur Garden of Youth (damals Project Z) immer mehr Zusammenhänge im Hintergrund klar und ich hatte die Möglichkeit, mit gerade 18 Jahren Konzerne und sogar Bundestagsparteien zu beraten. So hat sich jeder Tag im Uni-Leben sehr theoretisch und weit weg von der “realen Welt” angefühlt.

Zwei Monate nach dem Semesterstart war ich vor allem aus Angst vor den Anforderungen der Gesellschaft und der Reaktion meiner Eltern eingeschrieben. Die meiste Zeit habe ich in Berlin verbracht, um meinen TikTok-Account oder meine Agentur-Karriere voranzutreiben.

So ging es fast ein Jahr lang, immer im Kampf mit mir selbst, meinen Eltern, ihren Erwartungen und der Frage “Was kommt nach TikTok?” aber auch mit meinen Zielen, die greifbarer wurden. Als ich dann die ersten Beratungen, Ideen, & Produktionen an „größere“ Musiker von Major-Labels verkauft hatte (ca. März/April 2023) hab ich den finalen Umzug gewagt und ich bin innerhalb weniger Wochen ins erste freie WG-Zimmer in Berlin gezogen, das mir über den Weg lief.

Wie reagieren Kund:innen auf dein junges Alter als CEO?

Ausgesprochen positiv tatsächlich. Auch wenn ich nicht sicher weiß, was sie intern sagen, nachdem ein 21-jähriger Gen-Zler mit ADHS eine Stunde ihre Social-Präsenz auseinandergenommen hat : )

Ich versuche gerade wegen meines Alters besonders über Inhalt & Expertise zu kommen – was beim Thema Social Media und jungen Zielgruppen Gott sei Dank von Entscheidern auch auf Augenhöhe angenommen wird. Grundsätzlich ist unser junges Alter auch irgendwo unser Point of Sale oder Differenzierungsvorteil – ich glaube, viele große Labels oder Brands sprechen gerade deswegen mit uns.

Ihr habt in kurzer Zeit ein großes Team aufgebaut – alle Teil der Gen Z. Was sind die Vorteile (vielleicht auch Herausforderungen) eines so jungen Teams?

Ich liebe es, das Gefühl zu haben, mit Leuten zu arbeiten, die wie ich sind. Menschen, die gleiche Interessen und auch ganz normale Probleme haben. Wir alle wollen neu denken, Dinge anders machen und Formalitäten aufbrechen. Alle brennen für Musik oder die Internet-Kultur allgemein. Ich denke, das erlischt irgendwann, aber wir sind gerade alle, zumindest diesbezüglich, in unserer “Prime”. Das matcht mit meiner meistens unermüdlichen Energie und ich habe das Gefühl, wir alle sind wild, jung & frei – im dehnbaren Rahmen der Regeln, die wir oder unsere Partner setzen.

Sowohl Herausforderung als auch klarer Vorteil ist der fast schon freundschaftliche Umgang untereinander. Mit vielen aus dem Team bin ich auch privat befreundet, schon bevor sie Teil des Teams wurden. Mit anderen habe ich einfach so viel Zeit an eher privaten Orten wie Festivals oder Konzerten verbracht, dass man automatisch einen Teil seiner Freizeit zusammen verbringt.

Das fördert natürlich die Teamkultur, gerade bei einem Remote-Start-Up, ich merke aber auch, wie dieser schmale Grat manche Dinge schwieriger macht: Klare Ansagen und Linien für mich als Geschäftsführer oder eine schlechte Work-Life-Balance für meine Mitarbeitenden. Ich halt nicht viel von diesem Begriff – gerade da die meisten bei Promoplug ihr Hobby zum Beruf gemacht haben.

Wie schafft ihr es, stets am Puls der Zeit zu bleiben? Gerade TikTok-Trends ändern sich ja schnell.

8 Stunden Bildschirmzeit am Tag & die restlichen 4 Stunden im realen Leben der Communities. Auf Partys, Konzerten, Labelnights, Events, in Studios – das ist wie früher auf dem Schulhof: In den Kommentarspalten und auf den For you Pages erfährst du, was gerade trendet. Und dann machst du den Social-Proof am Abend in der Bar und checkst, ob dort auch über diesen Influencer oder jenen TikTok-Meme-Sound geredet wird.

Ein Teil des Promoplug-Teams

Hast du einen Best Case für uns?


Im Oktober haben wir gemeinsam mit Rap-Legende Marvin Game ein riesiges Projekt realisiert. Den “Hotbox Sampler”, das Konzept: 70 Künstler und 20 Producer haben eine Woche lang an gemeinsamen Crossovers gearbeitet. Monate zuvor hat unser Creative Team unter Leitung von Jonas Huber Formate und Video-Ideen für dieses Happening vorbereitet, Sponsoren eingebaut und alles mit dem Youtube “Hotbox” Format verbunden.

In der Woche sind 80 Videos mit einer Reichweite von 3 Millionen Views online gegangen. Insgesamt aufgenommen, haben wir in der Woche laut aktuellem Stand 400 Social Clips, die Hälfte ist online und liegt etwa bei 20 Millionen Views über Marvins @nichtdeintyp Kanäle. Der Rest fließt mit in die Promophase für dieses einzigartige Album, das für mich – als Rap Fan & Hörer vieler der Artists vor Ort – jetzt schon legendär ist.

Wir waren als 6-köpfiges Team vor Ort und hatten nicht nur am Output gemessen unseren herausforderndsten Auftrag. Auch als Team war das eine Hausnummer: Den ganzen Tag, sieben Tage lang Content produzieren und in Kreuzberg zwischen Studios und Nebenschauplätzen hin und her rennen. Dank der halben Rap-Szene an den Sets hatte das auch wenig von einer Corporate Produktion.

Ansonsten ist die Kampagne zu “Küssen” mit 01099 zahlenmäßig auf jeden Fall noch zu nennen. Der Song hatte unter anderem durch unsere Kampagne auf dem Kanal der Jungs und eine Influencer-Mechanik vor Release schon 4000 Creations, also Videos von Usern, auf TikTok. Und ist dann in den deutschen Singlecharts auf der 2 eingestiegen. Das war eine sehr gute Zusammenarbeit, Shout-Out an alle Beteiligten!

Viele Agenturen werben mit „von der Zielgruppe für die Zielgruppe“. Wie setzt ihr diesen Ansatz konkret um?

Ganz klar die Schnelligkeit und nach Floskel klingende “Dynamik”: Alle aus dem Team sind permanent über jeden Trend in ihren verschiedenen (!) Bubbles informiert. Das Spannende ist in meinen Augen, dass es nicht direkt Gen-Z oder eine Zielgruppe ist, sondern ich mit einem TikTok Video die Möglichkeit habe, ein bestimmtes Segment, eine Bubble gezielt zu adressieren.

Mit ungefähr 10 Leuten im Tagesgeschehen (s/o an unsere beiden PraktikantInnen) sind wir mindestens in 15 verschiedenen Bubbles, von Indie-Pinterest über Berliner Trapper bis BWL Highperformer.

So können wir unsere Ideen für Musiker und Marken tagesaktuell anpassen und Wordings, Insider, Trends aus der Internet-Kultur nahtlos aus unserem Privatleben einfließen lassen.

Ihr habt bereits mit großen Namen der deutschen Musikbranche zusammengearbeitet. Wie seid ihr an solche Kooperationen gekommen?

Ein guter Mix aus Personal Brand und Word of Mouth. Bislang habe ich den Eindruck, dass die Musikindustrie sehr persönlich und beziehungsgetrieben ist. Ich bin über zwei Jahre lang auf jedes Event, jedes Newcomer-Konzert etc. gegangen und habe versucht, mein Netzwerk aufzubauen. Natürlich habe ich jedem, den ich kennengelernt habe, gepitcht, was ich mache, mit wem ich schon gearbeitet habe und warum sie auf organischen Content setzen sollen. Und zu Hause dann meistens die ganzen Backgrounds, Vernetzungen und Repertoires gecheckt.

Das, kombiniert mit den ersten Cases, die sich rumgesprochen haben, hat dann zum Großteil der Kunden geführt.

Die spanneste Zusammenarbeit kann ich schwer ranken und möchte jetzt auch niemanden verärgern: Aber umso mehr wir uns am Ende des Tages kreativ ausleben und nah an der App und ihren Usern spielen können, desto mehr Spaß macht mir persönlich die Projektarbeit. Jetzt ganz unabhängig vom Menschlichen. Das ist zum Beispiel in der Zusammenarbeit mit Ennio, Aggro Berlin oder Marvin / dem Hotbox Sampler sehr angenehm.

TikTok-Algorithmen sind berüchtigt für ihre Unberechenbarkeit – wie reagiert ihr auf Änderungen im Algorithmus?

Der Algorithmus, der Wert einzelner KPIS oder Trends ändern sich, aber die Grundmetriken bleiben in unseren Augen gleich: sekundenschnell Aufmerksamkeit erregen und dabei impactful, relatable oder kontrovers sein. Und diese Aufmerksamkeit dann halten, durch gutes Storytelling, verrückte Postproduktion oder einfach Inhalt, Mehrwert.

Auf TikTok muss ich als Creator / Musiker / Brand vor allem authentisch und mutig sein. Einfach machen, posten, als würde man mit seiner BFF kommunizieren. Deswegen funktioniert auch Hochglanz Instagram Content meistens nicht. Unsere Kunst muss es oft sein, ein akribisch geplantes Video so random und nicht staged wie möglich aussehen lassen. Und dann die Perspektive der gegenüberliegenden Straßenseite nach dem Dreh auf einem Fake-Account posten.

Wir reden immer von TikTok, weil das den Ton angibt, die Trends dort irgendwo in den Kommentaren oder mit einem Nische-Video starten und dann langsam Richtung Instagram Reels, Youtube Shorts wandern. Beide Plattformen bespielen wir auch mit Kund*innen, aber die sind nicht der Fokus – sollte TikTok in Deutschland verboten werden, was ich auch aufgrund den neuesten US Entwicklungen sehr bezweifle, gehen wir einfach auf die nächste Plattform. Mit den gleichen Grundmetriken für Online-Kommunikation und Wissen über Bubbles.

Welche Fehler hast du auf deinem bisherigen Weg als Unternehmer gemacht, und was hast du daraus gelernt?

Ich habe mit Sicherheit sehr sehr viele Fehler gemacht. Aber genau deswegen funktioniert es, glaube ich, auch bis jetzt. Um ein paar zu nennen, vielleicht sind sie ja für eine Leser*in #relatable:

Ich habe mich oft unter Wert verkauft. Ich habe zu viel Privatleben ins Berufliche einfließen lassen. Keine Verträge unterschreiben lassen. Ich habe nach Sympathie recruited. Ich habe mich zu spät um Steuern & rechtliche Fragen gekümmert. Und ich hätte, glaube ich, noch früher auf mein inneres Verlangen nach dieser Welt und Tätigkeit hören sollen.

In allen Punkten würde ich in Situationen anders agieren, glaube aber, dass ich vielleicht sogar mehr daraus gelernt habe und in den nächsten 40 Jahren davon profitieren werde. Wie sonst soll ich als 21-Jähriger annähernd mit 40-jährigen CEOs mithalten, wenn ich nicht versuche, so viele Erfahrungen wie möglich in kurzer Zeit zu machen?

Wo soll es hingehen? Plant ihr weitere Expansionen, andere Social-Media-Plattformen oder vielleicht ganz neue Geschäftsfelder?

Definitiv! Jetzt im Januar & Februar geht es darum, das bestehende Kundenspektrum auf ein paar fokussierte Kern-Partnerschaften zu reduzieren und das Team zu festigen. Die ersten Zusammenarbeiten mit Marken setzen sich fort oder laufen an, das ist definitiv auch eines meiner Fokus-Themen.

Im März steht ein Software-Launch an, an dem wir schon lange arbeiten. Ich kann noch nicht zu viel verraten, aber der Gedanke dahinter ist, unsere Zielgruppe zu erweitern und die Musik Promotion weiter zu demokratisieren. Ich denke, die Promotion unseres eigenen D2C-Produkts wird spannend, sehr hart, aber ich habe richtig Lust auf diese “Sidequests”.  Ebenso haben wir in Partnerschaften das letzte Jahr schon angefangen, mit absoluten Newcomern zu arbeiten, um unsere Marketing-Power beizusteuern und langfristig in Karrieren investiert zu sein.

Hast du einen Tipp für andere junge Menschen, die mit dem Gedanken spielen, ein eigenes Business zu starten?

Ich wollte immer, wie hunderttausend andere heutzutage auch, unternehmerisch tätig werden. Das klang immer super abstrakt, also habe ich erstmal wenigstens irgendwas gemacht. Ich hab mir quasi das Nächstbeste mit Momentum, das zu meinen “Fähigkeiten” passte, geschnappt. Und das war 2020: TikTok-Videos machen.

Das ist erstmal von einem Agentur-Geschäft und Mitarbeitenden sehr weit entfernt – aber hat den Stein ins Rollen gebracht. Und dazu würde ich raten: Etwas Naheliegendendes, aber Sinnvolles, das weniger abstrakt als “ein Business gründen” ist, einfach mal ein Jahr durchziehen: Jeden Tag Videos auf TT & IG posten, um eine Personal-Brand zu starten, sich Mixing beibringen, um irgendwie Kontakte & Aufmerksamkeit in der Musikindustrie bekommen, irgendein Skript, Video, Shop, Workflow, Automation erstellen und versuchten einmal verkauft zu bekommen.

Und dann zehnmal. Um ein paar Beispiele zu nennen. Zum Thema Zweifel habe ich immer ein so ein Pinterest-Bild vor Augen, das es für mich treffend beschreibt: “I cant’t cry about having a lot on my plate when my goal was to eat”.

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