Mein nächster Termin? Wann kommt die Bahn? Und wie wird morgen eigentlich das Wetter? All das und noch viel mehr checken wir täglich mit unserem Smartphone. Dazu kommen Nachrichten, Social Media, Messenger Dienste, Filme – laut mancher Studien verbringen wir rund ein Drittel unserer aktiven Zeit mit dem Handy. Das mag für viele Dinge unheimlich praktisch sein, gleichzeitig bringt es aber vielen Menschen nicht nur Erleichterung, sondern auch Stress. Ausgerechnet eine App soll jetzt dabei helfen, unseren Alltagsstress zu bekämpfen. Wir haben uns die Software des Unternehmens Kenkou näher angeschaut.
Die App misst mehr als nur den Puls
„Wir haben uns gefragt, wie modernste Technik etwas zur Gesundheit beitragen kann“, sagt Maximilian Grönemeyer. Er ist Gründer und CEO von Kenkou, einem Berliner Start-up, das 2014 in Bochum gegründet wurde. Das Hauptprodukt des Unternehmens ist eine App namens „Stress Guide“ (kostenlos verfügbar im Apple App Store und im Android Play Store). Was kann die Anwendung? „Unser Stress Guide misst […] nicht einfach nur den Puls, sondern die Herzratenvariabilität“, sagt der CEO. Diese lasse Rückschlüsse auf das Stressniveau des Nutzers zu und sei deutlich geeigneter als eine reine Pulsmessung, um den Stresslevel einer Person zu bestimmen.
So funktioniert der Stress Guide
Wir wollen es ausprobieren und testen die App mit einer Versuchsperson. Zum Start will die Anwendung einige Infos über den Anwender haben – Geschlecht, Geburtstag, Gewicht und Größe. Wer möchte, kann sich direkt ein eigenes Konto anlegen, Pflicht ist das aber nicht. Wir tragen alle Daten ein und legen los: Als nächstes kommt die Messung. Je nach Gerät legt man dafür seinen Zeigefinger auf die Kamera des Smartphones oder – wenn vorhanden – auf den eigenen Pulsmesser des Handys. Nach kurzer Kalibrierung misst die App im ersten Schritt den Puls unserer Testperson. Das dauert rund eine Minute, Ergebnis: 70 Schläge pro Minute. Laut Stress Guide entspricht das einem „aktuellen Stressindex von 48 von 100“ und einer „allgemeinen Stressresistenz von 73 von 100“. Damit können wir noch nicht viel anfangen, aber es geht ja noch weiter.
Die App will eine zweite Messung und Atemübung durchführen, um „deinen Stress besser zu verstehen“. In der zweiten Messrunde bittet uns die Anwendung, tief ein- und auszuatmen. Währendessen läuft ein kleines Kardiogramm mit. Anschließend müssen wir eine aktuelle Aktivität bestimmen (wir wählen „Freizeit – Entspannen“) und unsere Stimmung mit einem Schieberegler benennen („Gut“). Wenn alles eingetragen ist, bekommen wir die Messübersicht.
Spannende Daten, offene Fragen
Im Ergebnis haben sich die Werte unserer Testversion nach dem zweiten Durchlauf leicht gebessert – beim „aktuellen Stressindex“ ging es drei Punkte nach oben, die allgemeine Stressresistenz erreichte sogar sechs Punkte mehr. Trotzdem steht in der Analyse „erschöpft“ als Stress-Level. Per Klick auf das kleine Fragezeichen daneben bekommen wir ein paar Erläuterungen: Der Stressindex hängt demnach mit der Herzratenvariabilität zusammen und „zeigt Dir objektiv, wie stark du derzeit unter Stress leidest“. Die Stressabwehr werde über das parasympathische Nervensystem gemessen. Je leichter das zur Ruhe komme, desto höher sei die eigene Stressabwehr. Die App von Kenkou kennt vier Stress-Level – erschöpft bedeutet demnach, dass unsere Testperson viel Stress und einen niedrigen Puls hat. Wir bekommen aber noch mehr Daten, darunter ein Histogramm der Herzschläge, einen Graphen zu Puls und Atmung sowie das biologische Alter im Vergleich zum „echten“ Alter. Zu jedem Punkt können wir noch ein paar Detailinformationen abfragen, viel mehr Hintergründe erfahren wir aber leider nicht.
Gemeinsam mit Ärzten entwickelt
„Für die Messung [der Herzratenvariabilität] haben wir gemeinsam mit Ärzten und Bioinformatikern eine von uns patentierte Technologie entwickelt, die auf die Kamera des Smartphones zurückgreift“, sagt Kenkou-Gründer Maximilian Grönemeyer. Weitere Hardware wie Smartwaches und Pulsuhren würden nicht benötigt. Da man sein Handy immer dabei habe, könne man mit der App Stress Guide „jederzeit und überall etwas seinen Stress unternehmen“.
Unsere Messung ist einfach und unkompliziert und dennoch sehr aussagekräftig.
Maximilian Grönemeyer, Gründer und CEO von Kenkou
Erst die Analyse, dann die Meditation
Laut dem Kenkou-Team soll es aber nicht beim reinen Daten-Messen bleiben – das Team arbeitet zurzeit an einem großen Update und will dann auch Meditations- und Atemübungen anbieten, um den Stress zu bekämpfen. Dann wird es auch ein Subscription-Modell geben. Aktuell gibt es neben dem Stress Guide noch weitere Apps von Kenkou, in Bälde soll es aber nur noch eine einzige App mit allen Funktionen geben. Laut Grönemeyer startet ab sofort außerdem ein Abo-Modell, bei dem Nutzer zwischen verschiedenen Paketen wählen können (12,99 Euro pro Monat, 29,99 Euro für drei Monate, 69,99 Euro für 12 Monate). Dafür soll der Anwender individuelle Atem- und Meditationsübungen und Tipps zur Stressvermeidung bekommen. Testen konnten wir diese Pro-Features noch nicht.
Vergleich mit der Konkurrenz
Wir wollen wissen, wie gut sich die Software von Kenkou im Vergleich schlägt. Also starten wir die Samsung-Health-App, die ebenfalls kostenlos im Play Store verfügbar ist. Auch bei der Samsung-Variante können wir den Stresspegel ermitteln, also probieren wir das mit derselben Testperson. Das Ergebnis: Die App ermittelt in etwa den selben Puls wie der Stress Guide, zeigt allerdings als Ergebnis einen niedrigen Stresspegel. Bei Samsung Health sehen wir neben dem Puls noch die Sauerstoffsättigung des Blutes, Informationen zur Herzratenvariabilität fehlen hingegen. Aber: In der aktuellen Version weist auch die Samsung-App darauf hin, dass langsames und tiefes Einatmen Stress reduziere. Die Anwendung liefert dafür ein Atemtraining, bei der man das trainieren kann – begleitet von sanftem Wellenrauschen. Für unsere Testperson brachte das einmalig noch eine leichte Pulsverbesserung.
Datenschutz ohne Stress
Gerade bei Medizin-Apps ist das Thema Datenschutz ein heikles Thema. Der Datenhunger vom Stress Guide ist bisher recht bescheiden – neben den oben erwähnten allgemeinen Daten zur Person (Größe etc.) braucht die App logischerweise Zugriff auf die Kamera/den Pulsmesser. Etwas irritierend ist hingegen, dass die Anwendung immer mal wieder nach dem Standort des Nutzers fragt – den Zugriff können wir aber ablehnen. Gründer Grönemeyer betont, dass bei Kenkou alle Daten anonymisiert würden. Außerdem sei die App Stress Guide nicht nur DSGVO-konform: „Wir gehen sogar noch einen Schritt weiter und sichern alle Daten nach dem HIPAA-Standard […]. der extra für sensible Daten im medizinischen Umfeld entwickelt wurde.“ Zur Erläuterung: Das US-amerikanische HIPAA steht für Health Insurance Portability and Accountability Act. Dabei geht es vor allem um den strikten Schutz von Patientendaten.
Zwischenfazit: Kenkou liefert ein bisschen Entspannung
Aktuell ist noch schwer abzuschätzen, wie wirkungsvoll die App von Kenkou ist. In unserer Android-Version der Software stand bisher nur die Messung zur Verfügung, die Meditationsübungen konnten wir noch nicht ausprobieren. Der Ansatz, beides mit einer detaillierten Datenmessung zu kombinieren, ist vielversprechend – unserere Testperson fühlte sich nach mehreren Durchgängen und tiefem Ein-/Ausatmen schon mal subjektiv etwas entspannter. Wir sind gespannt, wohin sich der Stress Guide entwickelt und halten euch auf dem Laufenden.
Mehr Informationen gibt es auf der Website des Unternehmens: https://www.kenkou.de/.